Engelslocken
von Jürgen Mick
Noch
in die Frage vertieft, wer sich den Scherz geleistet hätte, fand
ich mich wehrlos auf mein Sofa hingestreckt wieder. Und noch ohne die
Frage für mich beantwortet zu haben, war sie mir auch schon gleichgültig
geworden, als mir der mit dem Minirock ein Kissen unter meinen Nacken
schob, während der andere meine Füße massierte. Wer
auch immer sich den Jux erlaubte, ich war von der Idee bereits mehr
als angetan und ihm schon jetzt dankbar. Hätte ich mir einen solchen
Luxus doch niemals zu leisten gewagt. Seit meine Frau mich verlassen
hatte, musste ich mit meinem Auskommen noch mehr knausern als vorher.
Vor allem aber ist es so unglaublich schwer sich aus dem eigenen Gedankenkäfig
zu befreien. Die beiden taten anscheinend alles, dass sich das nun ändern
sollte. Sie verstanden ihr Handwerk. Mit einer derartigen Liebenswürdigkeit
war mir schon so lange niemand mehr begegnet. Niemals möchte ich
behaupten haben sich Frauen mir gegenüber so charmant verhalten.
Dieses Weihnachten würde ich nie vergessen. In der besten Absicht
diesen grandiosen Auftakt nicht zu verderben und die Stimmung, die ich
bereits erlangt hatte, so lang als möglich auszukosten, erwartete
ich mit Flimmern im Magen, was folgen würde. Jetzt bereute ich,
so unvorbereitet in das Weihnachtsfest geschlittert zu sein, und den
beiden nichts Anständiges anbieten zu können.
Seine
Zehen umklammerten das eisig feuchte Blech. Beinahe hätte er sich
noch über die Scheiß-Kälte aufgeregt, aber dann legte
sich ein zufriedenes Lächeln über sein Gesicht. Er stand jetzt
über den Dingen und sah zwölf Stockwerke hinunter, obwohl
alle ihm geraten hatten, das solle er tunlichst unterlassen. Aber es
war nicht von entscheidender Bedeutung, war es doch eine für ihn
bereits vollkommen fremde Welt, auf die er nicht ohne Verzückung
hinab sah.
Die
zwei Paar Würste rollten sich Sud. Dem Kartoffelsalat verpasste
ich zur Feier des Tages einen Löffel Mayonnaise zusätzlich.
Der rötliche Schein der Kerze tauchte die Wohnung in ein geheimnisvolles
Licht. Es brauchte eigentlich nicht viel, und die Stimmung war schon
beinahe weihnachtlich, als es gegen achtzehn Uhr an meiner Wohnungstür
klingelte. Es verwunderte mich sehr, hatte ich doch beabsichtigt, den
berüchtigten Heilig Abend, wie seit Jahren übrigens, genaugenommen
seitdem meine Frau ausgezogen war, allein zu verbringen. Skeptisch,
aber neugierig wie ein kleines Kind öffnete ich. Zwei Engel standen
vor mir. Ihre Flügel waren derart überdimensioniert, dass
mir jeder Blick ins Treppenhaus verstellt war. Es waren zwei weibliche
Engel, die mich mit einem Lächeln wie nicht von dieser Welt begrüßten.
Wie schön, dachte ich, und: Glück gehabt! Da
es Engel doch - wie das grammatikalische Geschlecht es voraussagt -
vor allem in männlicher und gar auch in transsexueller Ausführung
geben soll. Die zwei jungen Frauen, die ich vor mir hatte, waren ebenso
klischeehaft blond, wie märchenhaft jung. Sie trugen beide weiße
Stiefel, die über die Knie reichten. Die Mollige von beiden trug
dazu einen sehr knappen weißen Mini-Rock, dass reichlich Oberschenkel
unbedeckt blieb. Die Große überzeugte mich mit einem figurbetonten
Strickkleid, selbstredend auch in Weiß, das nicht weniger Fleisch
sehen ließ. Um diese Jahreszeit so knapp bekleidet, denke
ich noch, als sie sich stark fröstelnd mir entgegen drängten,
und verführerisch ihre Lippen schürzend nachfragten, ob es
erlaubt wäre in meine kuschelige Kemenate einzutreten.
Ich
erinnere noch dass die eine mit ihrem Flügel eine gewaltige Schramme
in die Eingangstür riss und ich, ob meiner Verwunderung, nicht
ein Wort heraus brachte. Daher sahen die beiden Hübschen sich wohl
auch gemüßigt, sich zu allererst zu erklären. Sie gaben
mir relativ sachlich, fast schon mit bürokratischem Unterton, zu
verstehen, dass man sie beauftragt hätte, mir ein unvergessliches
Weihnachten zu bescheren. Und ihr Augenaufschlag ließ nicht den
geringsten Zweifel daran, wie sie sich vorstellten, dieser Aufgabe gerecht
zu werden. Es sei ihre heilige Pflicht, mir an diesem Festtage die ultimative
Verwöhnung zukommen zu lassen. Als ich versuchte in meiner gedanklichen
Verwirrung nebenbei auch noch den Würstchentopf vom Herd zu ziehen,
nahm mir die schlanke im Strickkleid reflexartig den Topf aus der Hand,
um ein Unglück zu vermeiden. "Gegessen wird später",
hauchte sie mir zu. Nach Beendigung der Ausführung ihrer Allgemeinen
Geschäftsbedingungen kam ich zu dem beruhigenden Schluss, die Rechnung
sei bereits bezahlt.
Da
hatten wohl meine Fußballkumpels zusammengelegt. Sie hatten es
sich einiges kosten lassen, wie es scheint, um mich mit dem Scherz den
Rest meines Lebens aufziehen zu können. Was meine Beziehung zu
Frauen betrifft waren sie immer sehr um mich bemüht. Selbst allesamt
verheiratet, machte es ihnen großes Vergnügen, sich das vermeintlich
aufregende Leben eines Junggesellen auszumalen. Sie konnten nie damit
klar kommen, dass ich eben diesen Vorstellungen keinesfalls entsprechen
wollte. Regelrecht empört begegneten sie mir, dass ich meine "wiedererlangte
Freiheit", wie sie es nannten, nicht in vollen Zügen genösse.
Ohne sich von mir belehren zu lassen, wie sich Vergnügen für
mich definiert, echovierten sie sich mit größtem Vergnügen
über meine Verklemmtheit. Sie würden mir noch auf die Sprünge
helfen, haben sie mich oft genug angespitzt, und mir, wenn es denn sein
müsste, einen Bordellbesuch spendieren: "Der Karl war schon
in der Umkleide immer so verschämt". Wussten sie doch nur
zu gut, dass ich aus Verlegenheit, und sicherlich auch aus Feigheit,
nie wagen würde mir zwei Professionelle einzukaufen. Weil ich das
auch immer vehement nicht für meinen Stil ausgab. Da sei schließlich
nichts dabei, wenn man von seiner "Alten" sitzen gelassen
wurde, versuchten sie mich zu motivieren. Sie scherten sich nicht einmal
darum, ob sie mir mit ihrer Ausdrucksweise unrecht taten. Ich verabscheute
ihren vulgären Ton, zumindest, wenn es um meine Intimsphäre
ging. Da nützte es auch nichts ihnen klar machen zu wollen, dass
ich und meine Frau einvernehmlich unsere Ehe beendet hatten, und wir
uns durchaus unvoreingenommen begegneten. Sie wollten nicht begreifen,
dass es mir kein Vergnügen bereiten würde, sollte ich mich
mit Geld an Frauen wenden. Mir war meine Ruhe heilig und ich war in
meiner Ungestörtheit durchaus zufrieden mit meiner Situation; fast
schon bei mir angekommen. Was mir eventuell fehlte, wäre allenfalls
jemand, der genau das mit mir teilte, der mir sein Herz öffnete
und mir einmal in meinem Leben zuhören würde, in der ernsthaften
Bemühung mich verstehen zu wollen. Stets zogen sie meine Darstellungen
ins Lächerliche und unterstellten mir küchenpsychologisch
irgendwelche Verdrängungsmechanismen. Sie selbst hätten ja
alle Familie, sagten sie, aber bei mir als alleinstehenden Junggesellen
im mittleren Alter, sollt doch noch "Pulver im Rohr" sein.
Es wäre geradezu meine Pflicht ihnen gegenüber, meinen Lebensstand
ausnutzen, und die "Puppen" mit Lust tanzen zu lassen. Meine
"Spielverderber-Mentalität" müsse ich endlich überwinden,
sonst würde ich den Rest meines Lebens in meinen vier Wänden
versauern. Dass sie nun zur Tat geschritten waren, um alle meine Vorbehalte
gegenüber käuflicher Liebe zu knacken, wollte ich ihnen allerdings
augenblicklich verziehen haben. Meine beiden Engel ließen keine
Zweifel aufkommen über ihr Geschick.
Die
Schlanke im Strickkleid schwor mich nun ein, dass ich mich auf himmlische
Erwartungen einstellen könnte. Sie würden mich in einen schwebenden
Zustand versetzen, der der Schwerelosigkeit unverschämt nahe käme.
Ich bräuchte dazu nichts zu tun, als mich fallen zu lassen. Ich
solle mich locker machen, mich in ihre Obhut übergeben und darauf
gefasst sein, dass es nach ihrer Performance nichts mehr geben würde,
nach was ich verlangen könnte. So leicht, zufrieden und unbeschwert
hätte ich mich noch nie gefühlt, das könnten sie mir
versichern. Ich war von mir selbst überrascht, wie schnell ich
bereit war loszulassen und bereits jeden Anblick genoss. Sie ließen
sich wahrlich nicht bitten ihre Reize darzubieten. Ihre Berührungen
entzogen mir jede Verspannung, in ihren Augen verlor ich mich und ihr
Lächeln traf mich tief in meinem Innern. Ich genoss die frischen
Körper. Ich streichelte die Haut ihrer jugendlichen Schenkel. Sollte
heute noch ein Traum in Erfüllung gehen? Nie hätte ich es
gewagt, daran zu denken, mit zwei Mädchen, von denen keine älter
als dreißig ist, denke ich, zu verkehren.
"Vielleicht
will noch jemand die Toilette benutzen, oder die Dusche. Das Bad ist
am Ende des Flurs", platzte es aus mir heraus. Vielleicht wollte
ich versuchen mir instinktiv ein wenig Luft zu verschaffen, aber es
war abstrus, in dieser Situation, diesen ekelhaften Satz fallen zu lassen.
Peinlich daran war auch, es war der erste Satz, den ich ihnen gegenüber
herausbrachte. "Nein, so habe ich es nicht gemeint", versuchte
ich nervös lachend es als zu Scherz zu verkaufen, um die Stimmung
zu retten. "Ich meinte, ich müsste jetzt einmal die Toilette
benutzen, wenn ihr Engel mich für einen kurzen Moment entschuldigen
würdet." Es machte den Anschein, als hätten sie gar nicht
gehört, was mir da heraus gerutscht war. Auf meine Worte gingen
sie jedenfalls nicht ein. Sie lümmelten sich lediglich in die Kissen
der Couch, ließen mich peinlich berührt sitzen und versuchten
Konversation zu machen. Sie waren gut instruiert worden, muss ich zugeben.
Sie kannten meine sämtlichen Schwächen und man hatte sie darüber
informiert, dass es mir gefiele, wenn sie mir zuhören könnten.
Dabei wussten sie so gut über mich Bescheid, als hätten wir
gemeinsam das Abitur bestritten oder ein Prager-Eltern-Kind-Programm
absolviert. Mir kam es vor, als hätte ich einen heillosen Anfang
getan, ließen sie sich doch jetzt sogar über meine häufig
auftretenden, manisch-depressiven Stimmungsschwankungen aus. Als ich
versuchte die Lage wieder ins rechte Licht zu rücken, thematisierten
sie zu allem Überfluss meine körperlichen Mängel und
die möglichen psychosomatischen Zusammenhänge. Schließlich
näherte sich das Gespräch meinen Obsessionen und geheimsten
Wünsche. So musste ich reichlich überrascht feststellen, die
beiden waren über meinen Gefühlshaushalt ebenso im Bilde,
wie über meine berufliche Karriere und meinen gesamten Lebenslauf,
einschließlich sämtlicher Verfehlungen. Da hatten sich die
Jungs aber mächtig verausgabt. Bei manchen Dingen war ich mir nicht
einmal mehr sicher, ob ich sie meinen Fußballkumpanen je erzählt
hatte. Ehrlich gesagt, wurde es mir beinahe peinlich, hätte ich
nicht immer wieder, während ihrer Ausführungen, diese unbeschreibliche
Wärme verspürt, die aus einer Empathie gespeist schien, wie
ich sie mir in meinen Träumen kaum ausmalen konnte. Ich sagte mir,
jetzt nur nicht verlieben, Alter! "Ich müsste jetzt
wirklich mal ins Bad", unterbrach ich mich selbst, ohne jeden Grund.
Die
Kleine mit dem Minirock stellte sich mir in den Weg und versprach mir,
dass sie alles, was mich beschwerte vergessen lassen würden. Dabei
griff sie mir in den Schritt. Noch nie hätte sich einer beklagt,
ergänzte die andere, während sie mit ihrer Zunge über
mein Ohr strich. Von meinen Schwächen und Gebrechen wird mir nichts
mehr bleiben, aus meinen Bedürfnissen wird Wonne und das pure Glück.
Und dieser Zustand wird sich dauerhaft einstellen, darauf könne
ich mich verlassen, sagte sie. Nun übertreibt sie ein wenig,
grinste ich in mich hinein, vermied aber jede weitere Peinlichkeit,
die sich durch ihre zupackende Art anzubahnen drohte. Sie ließen
sich durch meinen ungläubigen Blick nicht aufhalten. Sie würden
mich endgültig befreien von meiner Depression, meinem Bandscheibenleiden
und selbst meine Sehschwäche würde sich erledigen, ergänzte
die im Minikleid und kommentierte es mit einem stechenden, höhnischen
Kichern, das sie mit vorgehaltener Hand abzuwürgen versuchte. Sie
versprachen mir ihre Dienste mit Nachhaltigkeitsgarantie, ich war erstaunt
und musste beinahe ebenfalls lachen. Wenn es mal läuft auf der
Wohlfühlschiene, dann schießt man gerne über jedes Ziel
hinaus, sagte ich mir. Auch Engel haben ihre Schwächen.
Mir erschien es schleierhaft, weshalb sie sich meiner medizinischen
Versorgung annahmen, aber wollte nichts mehr sagten, was sie hätte
bremsen können. Abgesehen davon hätte ich ja auch wahrlich
nicht das Geringste gegen einen Jungbrunnen einzuwenden. Nein, das war
schon ein lebendig gewordener Traum und ich wollte nicht wieder erwachen.
Was mich jeden Zweifel vergessen ließ, war die mir mittlerweile
fremdgewordene Vertraulichkeit, die beide in so unnachahmlicher Form
herzustellen verstanden. Ich nickte und wollte mich bedanken, doch meine
Worte blieben tonlos. Sie legten mir beide gleichzeitig einen Zeigefinger
auf die Lippen. Ihre Haut duftete nach Mandeln.
Möglicherweise
wollte ich das Vorspiel auch nur etwas hinauszögern, aber gänzlich
erschloss sich mir meine darauffolgende panische Aktion, schon während
ich sie ausführte nicht. Mit den Worten "Ich muss jetzt wirklich
auf die Toilette" entriss ich mich ihrer Umklammerung, stürzte
zu Boden und versuchte auf Händen und Knien in den Flur zu gelangen.
Sie sprangen mir hinterher, behinderten sich dabei gegenseitig, was
mir etwas Vorsprung verschaffte. Dann überflog mich die schlanke
Blonde und versperrte den Wohnungsflur mit ihren Flügeln in seiner
gesamten Breite. Als ging es jetzt nicht länger um meine Bedürfnisse,
sondern nur noch um den Spaß an der Jagd, machte ich auf allen
Vieren kehrt, schaffte es irgendwie die kleine Mollige auszutricksen
und zettelte eine heitere Verfolgungsszene an. Wild entschlossen hechteten
sie mir nach. Nur ihre Flügel gerieten manchmal außer Kontrolle
und so blieb ein gewisser Kollateralschaden in meiner Wohnung nicht
aus. Die beiden ließen nicht locker und sie hatten wohl reichlich
Spaß an der Verfolgung. Wieder und wieder ließen sie mich
entkommen, anders wird es nicht gewesen sein, bei diesen Kräften
wäre es ihnen ein Leichtes gewesen mich dingfest zu machen. Die
mit dem Röckchen zerrte an mir, als wäre sie ein Möbelpacker.
Das gehört zum Spiel. Nun gut, dachte ich, einmal will ich
nicht den Spielverderber geben. Meine letzte Schikane war die Balkontür.
Von hier gab es keinen Ausweg, aber meine Kondition war auch schon erschöpft.
Lachend und um Luft ringend stellten sie mich. Außer Atem und
glücklich lagen wir übereinander auf dem Balkon. Der Schnee
kühlte unsere Gemüter.
Es
war früh am Abend, der Heilig Abend war genau genommen noch gar
nicht angebrochen, und ihr Versprechen nicht eingelöst, dennoch
hatte ich bis dahin schon so unerwartet Freude an den beiden, dass ich
es zeigen wollte. "Das ist der Anfang eines großartigen Abends",
sprach ich in bewegtem Tonfall. Das Lächeln der beiden war großes
Kino und sie drückten mir beidseitig einen Kuss auf die Backe.
"Unsere gemeinsame Tour wird alles übertreffen, was Du erwartet
hast", flüsterte mir einer der Engel ins Ohr. Ich war dabei
meine Fassung zu verlieren, da ich mir selbst peinlich wurde. Schlagartig
war ich in Schweiß gebadet. Zwischen meinen Schenkeln färbte
sich der Schnee. Aber Anlass zur Sorge gab es nicht den geringsten.
Die beiden hatten mich im Griff. Ein Engel rechts, ein Engel links,
was sollte noch passieren? Sie stellten mich auf die Beine. "Ich
hätte noch etwas Prosecco im Kühlschrank", versuchte
ich Stimmung zu simulieren, "Die Würste sind wohl mittlerweile
ungenießbar, aber man könnte sich auch noch etwas kommen
lassen". Meine eigenen Worte empfand ich als vergeblich, sie tönten
belanglos und banal. Die Engel zeigten keinerlei Reaktion. Sie schienen
in höchste Konzentration verfallen. Sie reichten mir jede eine
ihrer zarten Hände. Im Moment, da ich sie ergriff, schien es mir,
als löste ich mich ein paar Zentimeter vom Boden. So eine Zartheit
war mir noch nie untergekommen; vielleicht hatte ich sie auch nur vergessen.
Es war schließlich schon einige Jahre her, dass ich so junges
Fleisch anfassen durfte. Das Schweben setzt ein, wie sie es versprochen
hatten. Solche Frauen habe ich noch nie erlebt. Echte Engel. Professionell
wäre ein zu schäbiges Wort für diese Kunst. Und meine
Meinung über sexuelle Dienstleistungen werde ich sicherlich revidieren
müssen. Man muss es eben erlebt haben. Musste ich erst so alt werden,
um derartige Wärme spüren zu dürfen? Gepaart mit einem
unbeschreiblichen Einfühlungsvermögen erlebte ich Nähe,
die mich mit Geborgenheit erfüllte. Mich umgriff vollständige
Schwerelosigkeit. Mich ergriff Erleichterung und Begeisterung über
dieses Weihnachtsgeschenk. Ob derjenige auch weiß, wie viel Gutes
er mir widerfahren lässt?
Sie
wandten sich zeitgleich um, als hätte ich die letzten Worte laut
ausgesprochen und zwinkerten mir verschwörerisch zu. Zwei ausgebuffte
Expertinnen. Wie ein Engel mich aufforderte, schlang ich die Arme um
seinen Hals. Wir taten einen gemeinsamen Schritt. Die Balkonbrüstung
spürte ich nicht. Sie passten Zeit und Ort ab, und als die Flügel
weit genug geöffnet waren, sah ich ihn ein letztes Mal. Er stand
wirklich zufrieden auf dem Fenstersims balancierend und sah zu uns herüber.
Beinahe wäre ich wehmütig geworden. Die Wangen meiner beiden
Begleiterinnen erstickten die Regung und ließen mich vor Wärme
schaudern. Zwischen den beiden heißen Körpern stieg ich empor.
Er klammerte sich an die zottigen Rippen. Dann stieg er von Büschel
zu Büschel hinunter, zwischen dem dichten Haar und der Eiskruste.
Ich drückte mich immer fester an die jugendlichen Brüste und
schwor mir, die duftenden Oberarme nie mehr loszulassen. Ausgehend wie
von zwei Quellen strömte es durch mich hindurch, als wäre
ein Stromkreis endlich geschlossen. Mit einem vergnügten, dreikehligen
Jauchzen jagten wir ausgelassen in die Höhe, dass sich alle Welt
unter mir verlor. Obgleich ich keinerlei Wind und Atmosphäre spürte,
sah ich, dass es schneite und mir wurde dabei immer wärmer und
wärmer; erstaunlicher Weise, ohne dass ich im geringsten ins Schwitzen
geriet. Schade eigentlich!
22.12.13