Die
Meldung "... am dritten Tage auferstanden von den Toten ..."
würde heute mit Sicherheit mit der prompten Unterstellung "It´s
Fake News" kommentiert. Doch auch bereits vor zweitausend
Jahren dürfte der Ausruf dieser Neuigkeit mindestens zur Provokation
alternativer Fakten verführt haben. Darin sehen wir einen Unterschied.
"Fake News" bezichtigt eindeutig der Lüge, wohingegen
"Alternative Fakten" auf abweichende Sichtweisen
verweist.
Wer den Begriff Alternative Fakten schmäht unterstellt, dass
Fakten unumstößliche Wahrheiten zum Ausdruck brächten.
Und gerade das sollte niemand mehr behaupten! Auch sollten "Alternative
Fakten" nicht mit der aktuell kursierenden Beschreibung des
"Postfaktischen" in einen Topf geworfen werden. Wenn
"postfaktisch" meint, den Emotionen, also dem Bauchgefühl,
mehr trauen zu können, als Fakten, und Fakten somit für
obsolet erklärt, so stellt der Begriff "Alternative Fakten"
Fakten als solche nicht in Abrede, sondern wirft vielmehr die
Frage nach der Wahrheit auf. Und beantwortet sie nicht! Alternative
Fakten sind also dringlichst zu unterscheiden von der Lüge oder
der Übertreibung. Böse der, der das eine durch das andere
zu verschleiern sucht.
Alternative Fakten erinnern uns einmal mehr daran, dass Tatsachen
immer auch eine Interpretation zu Grund liegt. Fakten sind kommunizierte
Sachverhalte, die in Beschreibung und somit in Erzählung gegossen
sind. Der eine sagt so, der andere so. Das ist der Ausgangspunkt jeder
Kommunikation: der Dissens. Alle wissen, die klassische Zeugenaussage
ist eine mit Vorsicht zu genießende vermeintliche Wahrheit.
Eine Wahrheit ist eine Beschreibung eines Sachverhaltes, die den jeweiligen
Beobachter mitberücksichtigen muss. Das gilt selbst für
physikalische Formeln, und seit Heißenberg liegt der Beweis
für derartige Relationalität jeder Beobachtung in Form einer
Gleichung vor.
Fakten sind beschriebene Sachverhalte, die immer vom Beobachter abhängig
sind. Und Kommunikation besteht immer im Austausch alternativer Fakten.
Gäbe es kein alternierende Ansichten, worüber sollte man
sprechen? Wenn jedem die Welt als der selbige Fakt vorläge, dann
wäre die Welt doch bereits im Kältetot erloschen.
Alternativen austauschen zu müssen, ist das Resultat differierender
Anschauungen von Welt, innerhalb vollständig voneinander getrennter,
physisch-psychischen Systemen (sprich: Gehirnen). Die prinzipielle
Unerreichbarkeit des alter ego ist der Anstoß, alternative
Fakten "auszutauschen", sprich: zu kommunizieren. Und das
liegt daran, weil es höchst unwahrscheinlich ist, dass zwei voneinander
getrennte Gehirne ein und dasselbe "denken".
Einfache Antworten brillieren durch Verzicht auf semantischen Reichtum.
Eingeschränkte Bedeutungsvielfalt suggeriert dann, Fakten seien
alternativlos. Das Insistieren auf Fakten ("it´s true")
soll Kommunikation unterbinden, wie auch die unschöne Rede von
der Alternativlosigkeit. Alternativlose Faktizität ist eigentlich
der Metahinweis jeder Kommunikationsverweigerung. Auf gut bayrisch:
"I´ hab´ recht und jetz´ is´ ausg´red´t!"
So nimmt die Trumpsche Administration einerseits ihr Recht auf alternative
Fakten in Anspruch, was in meinen Augen ihr gutes Recht ist, würde
sie nicht andererseits jede Art der Meinungsvielfalt (der Presse)
versuchen zu unterbinden. Ihr Subtext lautet daher auf Besitz der
alleinigen Wahrheit. Und das ist der Versuch der Tarnung der Lüge
durch die Faktizität von Alternativen. Das ist der eigentliche
Skandal, sich zu genehmigen, was man anderen untersagt.
Alternative Fakten heißt eigentlich nur: Wir müssen darüber
reden!
Das ist es, was wir endlich wieder lernen sollten, darüber zu
reden, anstatt uns vermeintliche Wahrheiten - oder wie sie heute heißen:
Fakten - um die Ohren zu hauen! Da befinden wir uns nämlich sofort
auf ideologisch vermintem Terrain, wie es die alten Weltreligionen
sich seit jeher streitig machen.
Der Anspruch auf Vernunft hingegen besteht darin, gerade alternative
Fakten unaufgelöst nebeneinander existieren zu lassen und Anschauungen
als solche zu kennzeichnen und anzuerkennen. Das heißt im Wortsinne,
Gleichgültigkeit walten zu lassen, unter der Prämisse der
Offenheit zum Austausch alternativer Fakten. Der Diskurs, der Streit,
der Dissens sind als verbale Auseinandersetzung schließlich
zur Basis einer Regierungs- und Staatsform geworden, die ihre Legitimität
erstmals nicht auf physischer Gewalt gründet: der Demokratie.
Die das Gewaltmonopol zwar für sich beansprucht, aber tunlichst
darauf verzichtet, es auszuspielen.
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