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kills the architecture
Ein Versuch zur Medienästhetik
von
Jürgen Mick
Das
Paradigma der Medienästhetik beherrscht alle kreativen Disziplinen.
Die Medienästhetik ist eine Ästhetik der Attraktion. Die
Architektur konnte sich dem Strudel der
Aufmerksamkeit heischenden Präsentation ebenso wenig entziehen,
wie die Wirtschaft oder die Politik. Dass sich diese Ökonomie
der Aufmerksamkeit, wie Georg Franck es beschreibt, so beherrschend
auf die Architektur niederschlägt hat Folgen, die der Disziplin
fundamental entgegenstehen. Aufmerksamkeit sucht nach dem Neuen und
hat eine geringe Halbwertszeit. Diese Kurzlebigkeit widerstrebt immobilen
Objekten prinzipiell. Die prototypische Ort der Attraktion ist die
Bühne. So wie ein Schauspiel eine Attraktion sein kann, weil
es nach Ende der Aufführung von der Bühne verschwunden ist,
so kann eben das Fernsehen oder die Zeitung für Aufmerksamkeit
sorgen, weil sie am nächsten Tag verschwunden sind. Die Medien
sind aber auch in der Lage diese kurzzeitige Bühne den Dingen
bereit zu stellen, die von sich aus dafür nicht geschaffen sind.
Eines dieser Phänomene ist die Architektur. Langlebigkeit und
Ortsgebundenheit sind ihr eigentlicher, der Medienlogik entgegengesetzter
Topos. Da die Architektur nicht verweigerte sich in den Markt der
Aufmerksamkeiten einzugliedern, musste sie sich eine Bühne suchen:
Die Architektur-Publikation.
Dies zeitigte nachhaltige Folgen. Die Publikation von Architektur
ist mittlerweile wichtiger für ihre Resonanz geworden, als ihre
wahrhafte Präsenz. Die Bilder haben dem Objekt den Rang abgelaufen,
da sie medial verwertbar sind, das heißt einer wesentlich größeren
Verbreitung dienen und somit mehr Aufmerksamkeit erreichen können,
als das Gebäude an sich.
Da die Architektur ein Gewerbe ist und die Akteure die Aufmerksamkeit
nötig haben, bedienen sich diese der Medien und nehmen gleichzeitig
Anleihen an deren Sprache. So ist heute die Ästhetik der Bauwerke
rückgekoppelt an den Markt der Attraktionen und wird selbst Attraktion.
Da der Ort der Gebäude hinter der Fassade zurücksteht, gehört
der Kontext der Bauwerke zu den Verlierern. Der Raum, den es zu formen
gilt, unterliegt nunmehr Regeln der zweidimensionalen Repräsentation.
Oberflächen verdrängen den Raum und Ausschnitte ersetzen
die Gesamtkomposition. Die Ästhetik der Medien setzt die Maßstäbe.
Und wenn das Vorhaben gelingt, bedient sich die Medienlandschaft retrospektiv
auch noch gratis der modernen Architektur als Kulisse, wie in Werbespots
gerade üblich.
Sinn, Zweck und Nutzen von Bauwerken werden über die Ökonomie
des Marktes abgerechnet und die Erscheinung im Kontext, die Bedeutung
(Semantik) und das Raumgefühl über die Ökonomie der
Aufmerksamkeit. Die Architektur hat den Funktionalismus entgültig
hinter sich gelassen. Stattdessen gilt: form follows attention.
In der Vollendung dieses Prozesses wird Architektur dann zur Inszenierung
von Bildern geradezu missbraucht. Blickrichtungen dominieren die Raumfolge.
Vom Subjekt wird verlangt sich zu positionieren, um die Szene im vorgedachten
Ablauf zu rekonstruieren. Stellvertretend nimmt dann immer öfter
der Photograph dessen Position ein, dem dazu einmalig Einlass gewährt
wird in die esoterischen Räumlichkeiten. Ihm obliegt dann der
Auftrag das Bild des Bauwerks in die Welt zu tragen. Da es unmöglich
ist ein Raumerleben zu kommunizieren, hat sich die Architektur diesen
Erfordernissen gestellt und folgt artig den Gesetzen der Medienästhetik.
Materialkollagen werden wie Filmsequenzen gedacht und realisiert.
Dementsprechend folgt Sensation auf Sensation. Unerwartetes schlägt
Bewährtes, Neuheit schlägt Tradition im Kampf ums Hingucken.
Jedes Bauwerk braucht sein Publikum. Aus den Einschaltquoten speist
sich schließlich die Reputation der Akteure, sowohl der Architekten
als auch der Bauherren. So zerstört der Fetisch Bild den Raum,
indem er seine Macher manipuliert.
10.03.04