Was
ist nun aus "My Generation" geworden? Erst sagt AC/DC
Teile ihrer Amerika-Tournee ab, weil Brian Johnson die Taubheit droht.
Dann sitzt Axel Rose bei seinem ersten Comeback-Konzert nach zwanzig
Jahren als Frontmann von Guns´n´Roses mit geschientem
Bein im Rollstuhl auf der Bühne, um schließlich trotz Invalidität
auch noch bei AC/DC - wie auf den Rock-Thron getackert - die
Europatour zu rocken. Was würde Bon Scott nur dazu sagen? Aber
das nicht genug: Auch das schwedische Rock-Duo Roxette muss
wegen schwerer Krankheit ihrer Sängerin Marie Fredriksson den
Dienst quittieren. Wir hoffen das beste, aber die Europa-Tournee entfällt
ersatzlos. Da ist man schon froh, dass wenigstens Eric Clapton letztes
Jahr sein Geburtstagskonzert (zum Siebzigsten!) in der Royal Albert
Hall heil überstand. Hat doch erst neulich der Prostata-Krebs
Lemmy Kilmister drei Tage nach seinem Siebzigsten - 1-2-3-4 - von
der Bühne gefegt. "We play Rock´n´Roll"
- bis zum Abwinken. Das habe ich mir immer anders vorgestellt.
Wer ahnte denn, dass es der Tod höchst persönlich sein müsste,
der den greisen Berufspubertierenden den Weg von der Bühne weisen
würde. Nein, das ist ungerecht, dahinter steckt eine tiefere
Wahrheit.
Wem
klingelt er nicht in den Ohren, der legendäre Vers aus dem The
Who-Klassiker "My Generation": "I hope I
die before I get old". Aber, das ist wirklich lange her.
Und was man vor Jahren einmal gesagt hat, sollte man keinem auf die
Goldwaage packen. Man war eben jung und Pete Townsend brauchte den
Ruhm, da denkt man nicht ans Altwerden. Jung sein, das ist nicht nur
eine Phrase, das ist eine ernsthafte Zustandsbeschreibung. Hingegen"alt"
ist immer ein Telos; im besten Falle ein nie erreichtes, wie man denkt,
wenn man jung ist. Jung ist man, alt ist man nie, alt wird
man nur.
Nun Rentenkassen für Langzeitmusiker gibt es nicht - die GEMA
einmal ausgenommen -, gesonderte Alten- und Pflegeheime auch nicht.
Was will man machen, wenn man nicht anderes kann, als auf ein Podest
zu steigen und darauf herum zu röhren und zu lärmen? Wenn
man nicht anderes gelernt hat, als Musik zu machen, weil man von nichts
anderem geträumt hat, als mit Musik seine Zeitgenossen zu belästigen?
Wenn man es dereinst erfolgreich betrieben hat, wie beispielsweise
die oben genannten, kann man sich zumindest gewiss sein, dass sich
ein paar Leute an einen erinnern, wie man dereinst das Hohe Lied der
Unangepasstheit in die Gesichter der spießigen Restbürger
schrie. Ja, ihr Nörgler - nicht alles, was da prophezeit wurde
ist eingetreten, richtig! Aber, man weiß doch, man muss Predigten
nicht wörtlich nehmen, um sie reinen Herzens weiterzutragen.
Aber nun kann es auch nicht wirklich von Gewinn sein, wenn wir ansehen
müssen, wenn ein Genie wie Prince Rogers Nelson mit erst 57 Jahren
seinen letzten Aufzug nimmt. Ist das noch jung oder schon alt? Und
zahlreiche seiner Vorfahren im Geiste sind zweifellos viel zu früh
in den Rockolymp aufgestiegen. Wie gerne hätte man den "Club
27" - wäre es denn möglich - spätestens mit
Eintritt von Curt Cobain und Amy Winehouse wegen Überfüllung
geschlossen. Nein, frühes Ableben sollte unter keinen Umständen
zur Pflichtübung für Elektrogitarristen, Rock´n´Roll-Trommler
und Bluesröhren verklärt werden. Alter ist doch relativ.
Ist es nicht an der Zeit endlich zu fragen, ab wann ist man eigentlich
alt? Also Udo Lindenberg will noch zwanzig bis dreißig Jahre
weitermachen, bis ihm der letzte Komplize wegstirbt.
Die Musik lässt einen nicht los, "bis dass der Tod uns
scheidet". Vielleicht wäre das die bessere Zeile für
den The Who-Klassiker gewesen, aber die hätte halt nicht so eingeschlagen,
schon klar. Aber vielleicht war sie in etwa so gemeint, weil man eben
nicht sagen kann, war Bowie als er im Alter von 69 verstarb, alt?
Vielleicht würden viele sagen: "Too young to die, too
old to rock´n´roll."
Ja, man muss ehrlich fragen, was macht jung sein denn aus? Das Toben
und Lieben, das Rasen und Weinen für ein ideales Leben. Es ist
die Sehnsucht, nach einer bessere Zukunft, von der die Musik getragen
wird. Und was braucht man im Alter mehr, als ein Stückchen Zukunft
- just in dem Augenblick, da sie beinahe restlos aufgebraucht ist?
Das Musizieren selbst bewahrt die Jugend. Und so gilt - wie für
alle Musiker - auch im Rock ´n´ Roll: Würde man der
Musik untreu, dann erst wäre man tatsächlich alt. Das wollen
die meisten Altrocker vermeiden. Das wäre für die meisten
der Genannten und für noch viel mehr unbekannte Musiker nicht
erträglich. Daher muss man insistieren, solange wir musizieren,
sind wir jung! Das Musikmachen ist der Bann, der davor bewahrt, "old"
zu sein. "As long as I rock, I´ll never get old!"
Soll heißen, solange ich musiziere, werde ich nicht alt
sterben! So war das gemeint, mit "My Generation".
Da können wir ruhigen Gewissens - in ganz neuem Verständnis
- unsere Schwüre von einst erneuern: "Wir rocken bis
der Arzt kommt!"
Was macht eigentlich Roger Daltrey und seine Radau-Combo?!
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